Als Mama war man einzigartig. Den Status „Oma“ muss man teilen. Und selbst wenn man die „andere Oma“ noch so gern hat: Durch die überwältigende Liebe zum Enkelkind kann diese Konstellation weitreichende Konflikte mit sich bringen. Und viele Fragen: Ist es normal, eifersüchtig auf die „andere Oma“ zu sein? Wie verhalte ich mich richtig, wenn es um unser gemeinsames Enkelkind geht? Darf mein Enkel eine „Lieblingsoma“ haben? Familienberaterin Claudia Hillmer gibt Antworten:
Eifersucht ist eine sehr normale Reaktion.
Renate ist sauer. Vor zwei Wochen hatte sie ihrem Enkel Lukas ein neues Spielzeugauto gekauft. Ein blau-weißes mit dem Schriftzug POLIZEI darauf. Genau so eins hatte Lukas sich gewünscht. Er war ausgerastet vor Freude, war seiner Oma um den Hals gefallen und hatte das Auto keine Sekunde mehr aus der Hand gelegt. Heute ist Renate wieder zu Besuch bei ihrem Sohn, dessen Frau und natürlich ihrem Enkel Lukas. Das Auto liegt in der Ecke. In Lukas‘ Hand: ein anderes Polizeiauto. Größer. Mit echtem Licht. Und Sirene. So etwas hatte das Auto von Renate nicht. „Wo hast du das denn her?“, möchte Renate wissen. „Oma Inga!“, strahlt Lukas, und lässt die Sirene ertönen. War ja klar, denkt Renate, und zieht die Stirn in Falten. Die schon wieder!
„Wenn Eltern zu Großeltern werden, werden sie von unglaublichen Gefühlen überrascht“, erklärt Claudia Hillmer, Familienberaterin in Hamburg. „Enkel-Bindungs-Hormondusche“ nennt sie dieses Phänomen. Und gibt zu bedenken: „Natürlich empfindet man da als Oma Eifersucht, wenn sich die andere Seite vordrängt. Das ist eine sehr normale Reaktion.“
Darf das Kind eine Lieblingsoma haben?
Kindermund tut Wahrheit kund, heißt es. Und die kann wehtun. Ein von Lukas unbedachtes „Oma Renate hab ich am allerliebsten!“ versetzt Oma Inga einen Stich. Der Griff in die Geschenke-Kiste ist oft die einfachste (und durchaus nachvollziehbare) Reaktion: Die Oma mit den größeren, tolleren, besseren Geschenken hat beim Enkel natürlich sofort einen Pluspunkt. Doch selbst wenn dieses Geschenke-Wettrüsten das Enkelkind kurzfristig zum Strahlen bringt: Die Beziehung zur anderen Oma wird dadurch natürlich nicht besser. Claudia Hillmer rät, Gefühle zuzulassen – die des Enkels und auch die eigenen. Dem Kind einzureden, es müsse alle Menschen gleich lieb haben, ist nicht der richtige Weg: „Zuallererst muss ich die Gefühle meines Enkelkindes ernst nehmen: Natürlich darf es eine Lieblingsoma haben! Doch dann sollte ich mich selbst fragen: Was macht das mit mir? Welche Beziehung möchte ich zu meinem Enkel führen? Und welche zu der anderen Oma? Und für all‘ diese Fragen sollte man sich Zeit nehmen.“
Kinder drücken Gefühle sehr direkt aus.
Der erste Schritt ist gar nicht so leicht: dem Kind die eigene Meinung lassen. Denn oft wird diese in übertriebene Worte verpackt: „OMA INGA DARF HIER NICHT REIN, DIE IST DOOF!“, brüllt Lukas. Dabei dachte er vielleicht einfach nur, dass heute die andere Oma zu Besuch kommt und hat sich auf deren Vorlesen gefreut. „Kinder drücken ihre Gefühle – in diesem Fall Lukas‘ Enttäuschung – oft sehr direkt aus“, erläutert Claudia Hillmer. „Das verletzt in diesem Moment natürlich. Wenn man sich aber in Lukas‘ Lage versetzt, ist seine Reaktion verständlich. Wichtig ist, in einer solchen Situation nicht auf die gesagten Worte einzusteigen. Sonst verlieren Sie sich in einer Diskussion darüber, ob man andere als doof bezeichnen darf oder nicht.“ Doch darum geht es hier nicht: „Als Oma wünscht man sich eine nahe und innige Beziehung“, fährt die Familienberaterin fort, „und das ist etwas anderes als eine höfliche Beziehung.“
Dennoch: Diese Situation bleibt für Lukas und für Oma Inga schwierig. Claudia Hillmer empfiehlt: „In so einem Moment Nähe aufzubauen wäre möglich, indem die Oma Lukas‘ Gefühle anerkennt und ihm zum Beispiel sagt: ‚Oh, du dachtest, Renate kommt und bist enttäuscht.‘ Damit fühlt sich Lukas gesehen und kann sich dann bald wieder auf Inga einlassen.“
Wie kann meine Beziehung zum Enkelkind wachsen?
Oma Renate kann toll Bücher vorlesen. Sie verstellt die Stimme und zieht manchmal sogar Grimassen dabei. Lukas strahlt und lacht und will direkt noch ein Buch lesen. An so eine Vorlese-Performance wird Inga nie herankommen. „Rätseln und vor allem ärgern Sie sich nicht darüber, warum der anderen Oma das so leicht fällt. Fragen Sie sich, was SIE gern und mit Leidenschaft machen“, rät die Expertin. Die andere Oma kann die tollste Vorleserin der Welt sein – das bedeutet nicht, dass Sie ihr nacheifern müssen. „Vielleicht sind Sie die Oma, die tolle Waldspaziergänge mit ihrem Enkel macht und dabei aufregende Sachen entdeckt“, schlägt Claudia Hillmer vor. „Finden Sie etwas, das Sie selbst lieben und machen Sie es gemeinsam mit Ihrem Enkel. Dann überträgt sich die Leidenschaft ganz automatisch und die Beziehung zum Enkelkind kann wachsen.“ Die Familienberaterin wählt bewusst den Begriff wachsen: „Eine Beziehung sollte man nicht erarbeiten“, erklärt sie, denn da sei das Geschenke-Wettrüsten vorprogrammiert: „Und dann endet’s im Spielzeugauto mit Sirene.“
Unternehmen Sie einen Oma-Oma-Enkel-Ausflug!
Sich als Omas zu ergänzen und nicht zu konkurrieren – das ist die bestmögliche Konstellation. Dann kann eine Oma die mit den aufregenden Abenteuer-Ausflügen in die Natur sein, und die andere die weltbeste Vorleserin. Oder die Oma, die in den Zirkus einlädt und Popcorn und Eis spendiert. So hat jeder sein „Gebiet“ und alle Seiten gewinnen, auch das Enkelkind.
Wenn man auch die Beziehung zur anderen Oma verbessern will, ist es Zeit für ein Gespräch. Bleibt die Frage, wie man das am besten hinbekommt. „Natürlich fällt es schwerer, die Beziehung zur anderen Oma wachsen zu lassen als die zum eigenen Enkelkind“, räumt Claudia Hillmer ein. „Doch man kann auch viel dabei lernen. Ein Gespräch ist immer ein guter Weg. Fragen Sie die andere Oma, wie es ihr mit der Situation geht. Schlafen Sie über die Antwort. Und schlagen Sie einfach einmal einen Oma-Oma-Enkel-Ausflug vor, bei dem Sie alle drei etwas Tolles erlehen. Denn wenn Sie alle gemeinsam eine gute Beziehung aufbauen, wird die Gewichtung zwischen der einen und der anderen Oma automatisch viel weniger relevant.“
Claudia Hillmer ist Familienberaterin nach dem Therapieansatz von Jesper Juul. Sie lebt mit ihrer Patchworkfamilie (Ehemann Jan und vier Kinder) im Hamburger Westen. Ihre Ausbildung zur Familienberaterin und Familientherapeutin hat sie am ddif (deutsch-dänischen Institut für Familientherapie) abgeschlossen.
Kontakt zu Claudia Hillmer: www.claudia-hillmer.de
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Hallo und guten Tag,
Genauso habe ich auch gedacht, dass sich Omas ergänzen. Die eine kann das besser und die andere wieder etwas anderes. Ich bin die Oma für die Unternehmungen, da die andere Oma nicht mobil ist. Aber jedes Mal wenn zwangsläufig ein gemeinsames Treffen z.b. Familienfeiern anstehen drängt sie sich in den Vordergrund. Man muss auch dazu sagen wir sind von Grund auf verschiedene Typen. Ich bin 60 und möchte selbst auch noch mit meinem Ehemann zusammen, noch leben und ich feier auch sehr gerne. Während die andere Oma alleine ist und diese Ansprüche ans Leben anscheinend nicht mehr stellt. Sie ist aber auch zehn Jahre älter und ist die Mutter von der Kindesmutter.
Unsere Enkeltochter mag sie auch lieber, das merke ich daran dass sie sich in meinem Beisein an die andere Oma schmiegt. Wie verhalte ich mich richtig?
Soll ich mich für eine Zeit lang zurückziehen?
Freundliche Grüße
Michaela Mann-Bautz