Zahlreiche Großeltern passen regelmäßig auf Ihre Enkelkinder auf – dazu gehört oft auch die Hausaufgabenbetreuung. Aber wie hilft man dem Enkelkind am besten beim Lernen? Vor allem dann, wenn man sich plötzlich mit Schulstoff konfrontiert sieht, den man selbst schon seit Jahren nicht mehr präsent hat? Wir haben den Lern-Experten Jürgen Möller gefragt, mit welcher Strategie man bei den Schularbeiten eine wirklich Stütze sein kann. Und uns vom ihn den „Post-it-Trick“ erklären lassen, der für jedes Schulfach angewendet werden kann.
„Wenn Kinder uns etwas erklären, lernen sie ganz, ganz viel.“ (Jürgen Möller, Pädagoge und Lernexperte)
Enkelkind.de: Herr Möller, wie kann ich meinem Enkelkind am besten bei den Hausaufgaben und beim Lernen helfen? Was ist meine Aufgabe?
Jürgen Möller: Zum einen ist es wichtig zu wissen: In der Hausaufgabenbetreuung genießen die Kinder einfach auch die Aufmerksamkeit und die Nähe. Oftmals suchen sie bei Dingen, die sie eigentlich schon wissen, nur eine Absicherung. Sie fragen nur nach: „Ist das richtig so?“ – Weil sie sich eine Bestätigung wünschen.
Und bei tatsächlichen Fragen, bei denen ihnen die Antwort fehlt? Darf ich sie ihnen vorsagen?
Wer sich daran gewöhnt, immer die Antwort vorgesagt zu bekommen, lernt kein selbstständiges Arbeiten. Wer also das Gefühl hat, dass das Enkelkind eine Frage nach der anderen stellt – vielleicht auch nur, weil es, wie oben beschrieben, Nähe und Aufmerksamkeit sucht – kann in der Hausaufgabenbetreuung einen „Deal“ mit dem Kind machen und den Post-it-Trick anwenden.
Wie funktioniert der Post-it-Trick?
Zuallererst: Während das Kind sich konzentriert und Hausaufgaben macht, nehmen wir uns als Großeltern auch etwas vor, woran wir in dieser Zeit konzentriert arbeiten. Das kann auch einfach ein Buch sein, in dem man liest.

Während das Kind dann selbstständig arbeitet, klebt es verschiedene Post-its ins Heft oder Buch.
Ein rotes Post-it heißt: Hier verstehe ich etwas komplett nicht, ich komme nicht weiter und benötige Hilfe!
Ein gelbes Post-it heißt: Hier habe ich eine Lösung, bin aber nicht ganz sicher und brauche noch einmal eine Bestätigung.
Ein grünes Post-it heißt: Das kann ich, und ich möchte es präsentieren. Ich möchte, dass du das siehst – und würdigst.
Dann nimmt man sich je nach Alter und Konzentrationsfähigkeit des Kindes zum Beispiel eine halbe Stunde Zeit, und jeder arbeitet selbstständig und konzentriert.
„Wir können uns den Druck nehmen, alles wissen zu müssen, nur weil wir erwachsen sind.“ (Jürgen Möller, Pädagoge und Lernexperte)
Anschließend geht man die Aufgaben anhand der farbigen Post-its durch: „Okay, hier klebt ein roter Post-it, da hattest du Fragen, da sprechen wir drüber. Hier klebt ein gelber Post-it, da kann ich bestätigen: Das ist tatsächlich richtig so, das hast du gut gemacht! Und hier klebt ein grüner Post-it, das schaue ich mir auch gern an.“ So bekommt man Struktur in den Prozess, und das Kind muss nicht immer sofort fragen.
Was mache ich, wenn ein roter Post-it an einer Stelle klebt, die ich selbst gar nicht erklären kann?
Dann kann man zuallererst die eigene Unwissenheit nutzen für den Lernprozess. Bitten Sie Ihr Enkelkind zunächst: „Erklär mir mal, was man hier machen soll.“ Oftmals haben die Kinder einen Vorsprung bei bestimmten Fakten und wissen Dinge, die wir längst vergessen haben. In dem Moment, in dem wir uns das Thema noch einmal von ihnen erklären lassen, mit ihren eigenen Worten, lernen die Kinder ganz, ganz viel.
Und wenn ich die Frage dann noch immer nicht beantworten kann?
Dann macht das nichts. Wir können uns den Druck nehmen, alles wissen zu müssen, nur weil wir erwachsen sind. Denn letztendlich geht es beim Lernen darum, auf eine gemeinsame Entdeckungsreihe zu gehen. Wenn das Kind etwas nicht weiß und wir als Lernbegleiter es auch nicht wissen, dann stehen wir gemeinsam vor einer Herausforderung, die richtige Antwort herauszufinden – und dann sind auch Hilfsmittel erlaubt wie Google oder ChatGPT.
Unser Experte: Jürgen Möller ist Pädagoge und Lernexperte, der das Lerntraining für zu Hause entwickelt hat. Es stärkt Kinder in ihrer Lernkompetenz, Selbstvertrauen und Zukunftsbereitschaft mit wissenschaftlichen und zukunftsrelevanten Inhalten. Aktuell ist Jürgen Möller mit seinem Programm „Lernen lernen“ auf Live-Tour in ganz Deutschland. Termine und Tickets unter www.akademie-lernpaedagogik.de/lernen-lernen.
Fotos: Marion M.3/shutterstock.com; Just Life/shutterstock.com